Thomas Letsch lässt die letzten Monate noch einmal Revue passieren

Hätte man Thomas Letsch im Januar 2015 gesagt, er würde in den darauffolgenden Monaten vier verschiedene Mannschaften erfolgreich trainieren, hätte der sympathische Deutsche das wohl mit einem Schmunzlen verneint. Aber meistens kommt es anders, als man denkt. Im Frühjahr betreute der 47-Jährige die AKA U18 des FC Red Bull Salzburg, wurde nach einer tollen Saison verdient Meister und konnte mit seinem Team erneut das hochwertig besetzte U19-Turnier in Düsseldorf gewinnen – dieses Kunststück gelang bereits zum zweiten Mal in Folge. Im Sommer übernahm Thomas Letsch den FC Liefering, den er nach holprigem Beginn immer besser in die Spur brachte, und auf Platz 4 führte, auf Tuchfühlung mit den Top 3. Aber auch in der UEFA Youth League hinterließen die Salzburger einen nachhaltig positiven Eindruck, setzten sich gegen FK Zeljeznicar Sarajevo sowie Besiktas Istanbul jeweils souverän mit einem Gesamtscore von 5:2 durch und treffen nun im Play-off im Februar auf AS Roma. Und kurz vor Weihnachten, als viele schon in der Winterpause waren, sprang Thomas Letsch noch in die Bresche, übernahm als Interimstrainer den FC Red Bull Salzburg und führte die Roten Bullen mit einem Remis gegen Mattersburg und dem Heimerfolg gegen Rapid Wien an die Tabellenspitze – beide Male ohne Gegentor.

Grund genug, uns vor Weihnachten noch einmal ausführlich mit Thomas Letsch zu unterhalten.

Deine Mannschaft überwintert auf dem vierten Tabellenplatz. Wie fällt dein Resümee der ersten 19 Runden aus?
Ich bin mit Tabellenplatz vier und dem Verlauf der Herbstmeisterschaft vollauf zufrieden, auch wenn der Start aus unterschiedlichsten Gründen sehr holprig war. Speziell in den ersten Spielen mussten wir sehr viele Gegentore hinnehmen, das haben wir aber in den Griff bekommen und uns in der Defensive stabilisiert. Meine Mannschaft hat zu sich gefunden und eine äußerst positive Entwicklung gezeigt.

Die Stimmung innerhalb der Mannschaft, aber auch im Trainerteam, scheint richtig gut zu sein. Täuscht dieser Eindruck?
Nein, das kann ich nur bestätigen. Für mich als Trainer war es ein angenehmes Arbeiten, da ich ein super Team um mich herum habe. Mit René Aufhauser und Janusz Gora unterstützen mich zwei Co-Trainer, die ein immenses Fachwissen und einen super Charakter haben. Aber auch die beiden Tormann-Trainer Heinz Arzberger und Stefan Loch leisten täglich grandiose Arbeit. Unsere Physiotherapeuten Daniel Kornblum und Nicole Prommegger und die medizinische Abteilung versorgen unsere Spieler rund um die Uhr, um sie möglichst schnell wieder auf die Beine zu bekommen bzw. die Regeneration zu beschleunigen. Stefan Lehner sorgt mit seinen detaillierten Videoanalysen immer dafür, dass wir perfekt auf die nächsten Gegner vorbereitet sind. Und was wären wir ohne unseren Zeugwart Bernhard Seywald, der uns sämtliche Utensilien mit viel Freude und Leidenschaft vorbereitet. Um sportlich erfolgreich zu sein, muss das Team ums Team einwandfrei funktionieren – das tut es bei uns. Hierfür bin ich sehr dankbar. Jeder Tag macht richtig Spaß, und wir können somit sehr produktiv arbeiten.

Mit 40 erzielten Toren stellt der FC Liefering die zweitbeste Offensive der Liga. Zufrieden, oder trüben die vielen Gegentore (30) diese Tatsache?
Ich denke, man muss hier ganz klar unterschieden. Wie bereits erwähnt, haben wir in den ersten Partien sehr viele Gegentreffer erhalten, dieser Schnitt wird uns natürlich bis zum Saisonende nachhängen. Nimmt man die Quote nach dem Spiel gegen Wacker Innsbruck (Anm.: Runde 5), konnten wir den Schnitt unter einem Gegentor pro Match halten (Anm.: 14 Spiele und 13 Gegentore). Damit können wir definitiv zufrieden sein. Wir haben in vielen Duellen unsere offensiven Qualitäten gezeigt, zahlreiche schöne Treffer erzielt und uns dahingehend sicherlich schon gehörigen Respekt erarbeitet. 

Gegen die Mannschaften im oberen Drittel tun sich deine Jungs immer leichter als gegen Teams, die in den unteren Tabellenregionen (siehe Wiener Neustadt) sind. Warum kommt man hier schwerer auf Touren?
Wenn eine Mannschaft versucht, mit uns mitzuspielen, ergeben sich zwangsläufig Räume, die wir in der Offensive mit unseren schnellen Spielern gut zu nützen wissen. Gegner, die sich hinten hineinstellen, nehmen uns diesen Platz. Daran arbeiten wir, damit wir in diesen Situationen, in denen die andere Mannschaft tief steht, die richtigen Entscheidungen treffen, um dennoch zum Torerfolg zu kommen.

Spiegeln elf verschiedene Torschützen und 17 Vorlagengeber die breite Qualität des Kaders wider?
Natürlich spiegelt es die Qualität unsers Kaders wider. Zum einen mussten wir aufgrund zahlreicher Verletzungen viele Spieler zum Einsatz bringen, zum anderen veranschaulicht es, dass einige Jungs in der Lage sind, ihre Fähigkeiten in entscheidenden Aktionen optimal einzusetzen. Es zeigt auch, dass jene Akteure, die noch etwas hinten dran sind, ihre Chancen bei einem Einsatz sehr wohl zu nutzen wissen und effektiv sind. Das stimmt uns äußerst positiv.

In der laufenden Saison haben einige junge Spieler den Sprung zu den Profis geschafft – zuletzt Hee Chan Hwang – und dort auch wichtige Einsatzminuten erhalten. Wie stolz macht dich das als Trainer?
Zwischen dem Ziel, unsere Spieler für die erste Mannschaft zu entwickeln, und der Tatsache, dass es dann klappt, besteht ein großer Unterschied. Es macht uns stolz, wenn ein Spieler beim FC Liefering den nächsten Schritt macht, hochgezogen wird und sich dauerhaft durchsetzt – das ist der Sinn dahinter, wenn es langfristig funktioniert. Ich bin der Meinung, dass viele Spieler bereits oben mitspielen könnten, aber die große Herausforderung ist es, sich durchzusetzen und sich zu einer festen Größe zu etablieren. Wenn dies gelingt, freuen wir uns selbstverständlich alle.

Aber auch die von der U18 hochgezogen Akteure haben sich kontinuierlich gesteigert und sich dem Erste Liga-Niveau angepasst.
Die größte Herausforderung ist es mit Sicherheit, sich schnell an den Erwachsenen-Fußball und die deutlich höhere Intensität zu gewöhnen. Neben den fußballerischen Dingen ist die körperliche Basis hier sehr wichtig. Grundsätzlich ist es ein großer Vorteil, dass wir in der Akademie die gleiche Art Fußball praktizieren, sodass die Jungs dort schon perfekt darauf vorbereitet werden und der Anpassungsprozess normalerweise zügig vonstattengeht. Speziell die Zusammenarbeit mit dem Trainerteam der U18 um Marco Rose ist hier sehr eng.

Auch der langzeitverletzte Isaac Vorsah wurde wieder spielfit gemacht. Spricht wohl für die Arbeit im ganzen Betreuerstab, oder?
Ich finde es großartig, dass der Verein sich dazu entschlossen hat, Isaac zu helfen, um ihn wieder an den Profifußball heranzuführen. Er war 30 Monate verletzt out, und wir sind froh, ihn als Teil in unserer Mannschaft zu haben. Durch die intensive und äußerst gute Arbeit des ganzen Teams und der gesamten medizinischen Abteilung ist es gelungen, Isaac körperlich wieder in Schuss zu bekommen. Umso erfreulicher war es dann, als Isaac beim Floridsdorfer AC die ersten Pflichtspiel-Schritte nach so langer Zeit auf dem Platz gemacht hat.

In der UEFA Youth League hat deine Mannschaft gegen FK Zeljeznicar und Besiktas Istanbul eine gute Figur abgegeben, ihr seid jeweils mit einem Gesamtscore von 5:2 ins Play-off aufgestiegen. Eine gelungene Premiere?
Der Meistertitel der U18 in der letzten Saison war der Türöffner für unsere erste Teilnahme. Der Anreiz war riesengroß, und wir haben unser Ziel – in diesem Wettbewerb zu überwintern – eindrucksvoll erreicht. Wir hatten zwei schwere Gegner, aber die Mannschaft hat speziell in den Heimspielen gezeigt, wozu sie in der Lage ist. Mit dem Einzug ins Play-off gehören wir aktuell zu den 24 besten Teams in Europa in dieser Altersstufe. Ich bin durchaus optimistisch, dass es hier noch nicht für uns zu Ende sein muss.

Traust du es dem FC Salzburg im Frühjahr zu, in diesem Wettbewerb für eine Überraschung zu sorgen, auch wenn man im Play-off nun mit AS Roma auf einen der Halbfinalisten der letzten Saison trifft?
Wir haben mit AS Roma einerseits ein sehr attraktives Los gezogen, es aber andererseits auch mit einem sehr starken Gegner zu tun, der im letzten Jahr erst im Halbfinale am späteren Sieger Chelsea gescheitert ist. In den beiden Heimspielen und den zahlreichen internationalen Turnieren haben wir oftmals bewiesen, dass wir mithalten können und große Namen regelmäßig schlagen können. Ich denke, dass wir – nicht nur aufgrund des Heimvorteils – gute Chancen haben, auch wenn in einem Einzelspiel sehr viel passieren kann und häufig das Quäntchen Glück entscheidet. Wir sind optimistisch, auch diesen Gegner besiegen zu können.

Statt dem verdienten Weihnachtsurlaub hast du die letzten zwei Wochen als Interimstrainer den FC Red Bull Salzburg auf Platz eins geführt. Wie hast du diese intensive Zeit und den Erfolg gegen Rapid Wien erlebt?
Es war für mich eine spannende Situation, und ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit und für das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde. Das ganze Funktionsteam hat gute Arbeit geleistet und gut harmoniert. Wir wollten eine hohe Trainingsintensität haben und an den Basiselementen, die unser Spiel ausmachen, arbeiten, das haben wir ganz gut hinbekommen. Wir wollten den Jungs in dieser kurzen Zeitspanne die richtige Mentalität vermitteln, das wurde eindrucksvoll von den Spielern umgesetzt. Wir haben die Defensive stabilisiert und sind in beiden Partien ohne Gegentreffer geblieben. Der Erfolg gegen Rapid Wien war mehr als verdient, zumal die Mannschaft eine tolle Leistung gezeigt hat. Diese elf Tage waren äußerst intensiv, aber vor allem schön und erfolgreich. Wir haben vier Punkte geholt und sind ohne Gegentor geblieben – ich würde es als positiven Abschluss des Auftrages bezeichnen. 

Am Jahresende blickt man ja meistens noch einmal auf die letzten 12 Monate zurück. Du hast 2015 insgesamt vier Teams (AKA U18, FC Liefering, die UEFA Youth League-Mannschaft und den FC Red Bull Salzburg) erfolgreich trainiert. Wie stellt man sich auf so viele Teams und Spieler ein?
Mein Vorteil war es, das ich schon lange im Verein bin und viele Spieler sowie die Abläufe schon gut kannte. Das hat es einfacher gemacht. Diese spezielle Konstellation war im Dezember nur möglich, da der FC Liefering schon in der Winterpause und die Aufgabe in der UEFA Youth League vorbei waren. Ich denke, dass diese Situation nicht alle Jahre möglich ist.
 

Was war dein Jahreshighlight?
Natürlich ist das jüngste Ereignis gegen Rapid Wien noch sehr präsent und für mich ein persönlicher Höhepunkt, auch wenn es zahlreiche weitere großartige Ereignisse gegeben hat. Als Cheftrainer eine Mannschaft in der Bundesliga bei einem Prestige-Duell zu betreuen, ist etwas Besonderes. Umso schöner ist es, dass wir die Partie vor so vielen Zusehern auch gewinnen konnten. Aber auch die Art und Weise wie wir das Rückspiel in der UEFA Youth League gegen Besiktas Istanbul bestritten haben, fasziniert mich heute noch. In der Ersten Liga bleiben die beiden beeindruckenden Partien gegen den LASK sowie der Derbysieg vor 8.000 Zuschauern in der Red Bull Arena in meinem Kopf.

Abschließend blicken wir noch kurz in die Zukunft. Wie müssen die Vorbereitung und die restliche Saison des FC Liefering verlaufen, dass du am 25. Mai 2016 positiv auf die Spielzeit 2015/16 zurückblicken kannst?
Ich würde es nicht auf dem Tabellenplatz festmachen, auch wenn wir natürlich unsere Position halten bzw. sogar verbessern möchten. In der Rückrunde wird die Mannschaft wahrscheinlich wieder ein neues Gesicht bekommen und noch jünger sein. Auch wenn wir wieder von Neuem beginnen – falls die Entwicklung so weitergeht wie in den letzten Wochen, sind wir sehr positiv gestimmt. Ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, den Weg, den wir zum Schluss gemeinsam gegangen sind, fortführen zu können. Wir möchten im Frühjahr weiterhin wenige Chancen des Gegners zulassen und die zuletzt gezeigte Stabilität in der Defensive bestätigen. Auch die Spielfreude und die kreativen Momente in der Offensive möchten wir weiterhin zeigen.